Ein umfassender Impfschutz ist für Krebspatient:innen besonders wichtig und wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut empfohlen – auch während der laufenden Behandlung. Wir sprachen mit dem Onkologen Dr. Til Ramon Kiderlen, warum das so ist und dass Impfungen auch während einer laufenden Krebstherapie sinnvoll sein können.

Die Diagnose Krebs löst bei den meisten Betroffenen viele Fragen und Ängste aus. Schnellstmöglich werden die entsprechenden Therapieoptionen wie eine operative Entfernung des Tumorgewebes, eine Chemo- oder Strahlentherapie eingeleitet, um die Erkrankung bestmöglich zu behandeln. Zu Beginn einer Behandlung sollte auch auf den vollständigen Impfschutz der bzw. des Patient:in geachtet werden. Denn: Die Krebserkrankung selbst oder auch Chemo- und Strahlentherapie schwächen das Immunsystem. Die körpereigene Abwehr ist nicht mehr optimal in der Lage, Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren ausreichend zu bekämpfen – das Risiko einer Infektionskrankheit steigt.

Dr. Kiderlen

Dr. Til Ramón Kiderlen ist Hämatologe, Onkologe und Infektiologe sowie Leiter des Vivantes Tumorzentrums in Berlin.

Krebspatient:innen gelten aufgrund ihres geschwächten Immunsystems als (Hoch-)Risikopaient:innen. Welche Impfungen werden immungeschwächten Patient:innen von der STIKO grundsätzlich empfohlen und warum?

Krebspatient:innen gelten per Definition grundsätzlich als immungeschwächt. Aber das Ausmaß ist abhängig von der Grunderkrankung und der Therapie. Manche Krebserkrankungen schwächen Patient:innen unmittelbar, andere sozusagen eher indirekt. Grundsätzlich empfohlen werden von der STIKO die Standardimpfungen. Sie umfassen die Impfempfehlungen zur Grundimmunisierung beispielsweise gegen Tetanus, Diphtherie oder Keuchhusten. Darüber hinaus empfiehlt die STIKO einigen Personengruppen zusätzliche Impfungen gegen weitere potenziell bedrohliche Infektionen, sog. Indikationsimpfungen. Hierzu gehören zum Beispiel Pneumokokken, Meningokokken, Influenza und Herpes zoster, die schwere Krankheitsbilder verursachen können wie beispielsweise Hirnhautentzündung, Lungenentzündung oder Blutvergiftung.

Ein möglichst umfänglicher Impfschutz ist besonders für alle Immungeschwächten wichtig, da bekanntermaßen Krankheitslast und Sterberisiko bei diesen Patient:innen gerade infektbedingt besonders hoch ist. Um die Patient:innen zu schützen, wird auch empfohlen, zudem die unmittelbaren Kontaktpersonen zu impfen. Ziel muss es sein, Impflücken zu identifizieren und zu schließen.

Können sich Krebspatient:innen beim Hausarzt impfen lassen oder müssen sie zu den behandelnden Onkolog:innen?

Ein ganz klares Ja: Hausärzte oder Hausärztinnen können und sollen auch Krebspatient:innen impfen. Natürlich müssen auch die Onkolog:innen dafür sorgen, dass ihre Patient:innen adäquat geimpft sind, aber die Impfung selbst erfolgt meist bei Hausarzt oder -ärztin.

Dürfen sich Krebspatient:innen während einer Chemotherapie impfen lassen oder muss ein bestimmter idealer Impfzeitpunkt abgewartet werden, damit die Impfungen wirksam sind?

Es spricht nichts gegen Impfungen während der Chemotherapie oder der Strahlentherapie. Zwar ist hier ein reduziertes Impfansprechen nicht auszuschließen, aber bei fast allen Therapien spricht der potenzielle Nutzen für eine Impfung. Prinzipiell gilt: Je stärker die immunsuppressive Wirkung der zugrunde liegenden Erkrankung bzw. der durchgeführten Therapie war, desto dringlicher sollte der Impfschutz zum geeigneten Zeitpunkt erneut aufgefrischt werden. Es gibt nur einige wenige Antikörper-Therapien, bei denen meist gar kein Schutz nach Impfung zu erwarten ist. Auch nach Stammzelltransplantationen muss sich das Immunsystem erst wieder erholen.

Sind sich Ihre onkologischen Patient:innen dessen bewusst, dass ihr Immunsystem geschwächt ist und besondere Präventionsmaßnahmen erfordert – etwa durch Impfungen?

Das ist sehr individuell und hängt auch von der Erkrankung ab. Patient:innen mit bösartigen Erkrankungen des Blutes wissen oft, dass ihr Immunsystem geschwächt ist. Viele Patient:innen wissen aber nur wenig darüber – hier klären wir dann ganz gezielt auf, wie wichtig ein umfassender Impfschutz ist.

Wie ist Ihre Erfahrung: Warum sind Ihrer Meinung nach gerade die Hochrisikopatient:innen so schlecht geimpft und wie kann man dem entgegenwirken?

Nach meiner Erfahrung fallen die Patient:innen in eine zumindest gefühlte Zuständigkeitslücke: Der Hausarzt oder die Hausärztin ist verunsichert, da er oder sie die onkologischen Therapien nicht kennt, und der oder die Onkolog:in kennt sich zu wenig mit Impfungen aus und führt sie meist auch nicht durch. Deswegen ist es wichtig zu betonen, dass die Impf-Verantwortlichkeit für die gemeinsamen Patient:innen klar sowohl bei Hausarzt bzw. Hausärztin als auch Onkolog:in liegt. Wir schicken deshalb die Patient:innen mit einer Impf-Empfehlung zum Hausarzt oder zur Hausärztin. Damit schließen wir die Zuständigkeitslücke und stellen sicher, dass beide Seiten ihre Kompetenz zum Wohle der Patient:innen einbringen.

Autorin: Lisa Weber
Bilder: Adobe, ZVG

Weitere Informationen zum Thema Krebserkrankungen und Impfungen finden Sie auf der Website

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