Eine Krebs-Diagnose trifft nicht nur die erkrankte Person selbst, sondern auch deren Angehörige und das soziale Umfeld. Für Unternehmen ist eine Krebserkrankung einer/s Angestellten oftmals ebenfalls eine große Herausforderung, denn die Unsicherheit bei Chefs und Kollegen ist hoch. Wie man korrekt handelt, haben wir mit Dr. Gerhard Matschnig und Mag. Gaby Sonnbichler von der Österreichischen Krebshilfe Wien besprochen.

Herr Dr. Matschnig, Sie haben die Initiative „Unternehmen leben“ mitbegründet. Wie kam es dazu?

Ich habe in meiner Funktion als CEO eines großen Unternehmens gemerkt, dass eine Krebserkrankung gerade im beruflichen Umfeld ein großes Tabuthema ist.  Man vertraut sich maximal seiner besten Kollegin/Kollegen an. Das ist der fruchtbare Boden für Gerüchte. Dabei sind vor allem Führungskräfte überfordert, dies anzusprechen und gemeinsam Vereinbarungen zu treffen, wie man mit der Situation am Besten im Team umgeht und darüber offen spricht. Hier hilft die Krebshilfe mit ihrer Kernkompetenz des psychoonkologischen Coachings in Einzel- und Gruppengesprächen das Tabuthema aufzulösen. Dabei werden unter anderem Vereinbarungen getroffen, die den Erkrankten helfen, während der Therapie weiterhin ihren Beitrag im Beruf zu leisten statt krampfhaft zu versuchen, den eigenen Gesundheitszustand zu „verstecken“ oder – nach Abschluss der medizinischen Therapien – sich möglichst reibungslos für alle Beteiligten beruflich zu reintegrieren.

Dr. Gerhard Matschnig

Dr. Gerhard Matschnig ist Initiator von „Unternehmen leben“

Warum ist das Thema „Krebserkrankung von Mitarbeitern“ für Unternehmen ein wichtiges Thema?

Ein kompetenter Umgang mit dem heiklen Thema Krebs zeigt eine hohe soziale Kompetenz des Unternehmens nicht nur gegenüber der Öffentlichkeit, sondern auch intern und trägt damit zu einer hohen Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung bei. Immerhin sind rund 50% der KrebspatientInnen im erwerbsfähigen Alter und in den meisten Fällen höchst motiviert, wieder auf ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Das besondere Engagement dieser Menschen, wenn ihnen ihr Unternehmen in dieser schwierigen Situation geholfen hat, kann man sich ohne Schwierigkeiten vorstellen.

Mag. Gaby Sonnbichler

Mag. Gaby Sonnbichler ist Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe Wien

Warum sollte ein offener Umgang mit einer Krebs-Erkrankung einer Mitarbeiterin/eines Mitarbeiters kein Tabuthema sein?

Je schneller und offener darüber gesprochen wird, desto besser gelingt es den Betroffenen mit der Erkrankung im Beruf umzugehen und das hilft auch im Heilungsprozess, da eine große Sorge offen ausgesprochen werden kann und gemeinsam Schritte zur Bewältigung der Arbeitsaufgaben festgelegt werden. Die Führungskraft und das Team wissen Bescheid, wann mit einer Rückkehr an den Arbeitsplatz zu rechnen ist und können besser planen.

Wie sähe ein korrekter Umgang von Vorgesetzten/Geschäftsführern aus? Was würden Sie sich wünschen?

Offen zu kommunizieren, dass das Unternehmen im Falle einer Krebserkrankung für seine Mitarbeitenden da ist, steigert die Wertschätzung gegenüber dem Unternehmen enorm und ist in Mitarbeiterumfragen klar zu erkennen und zu messen.

Ich wünsche mir daher eine große Bereitschaft der österreichischen Unternehmen dieses Thema gemeinsam mit der Krebshilfe aufzunehmen, da es dabei um eine einzigartige Win-Win Situation geht.

Welche Services können Erkrankte und UnternehmerInnen bei der Krebshilfe in Anspruch nehmen?

KrebspatientInnen und ihren Angehörigen steht ein kostenloses multiprofessionelles Beratungsangebot zur Verfügung, denn eine Krebserkrankung wirkt sich auf viele Lebensbereiche aus. Wir bieten ein breites Spektrum an psychoonkologischen Dienstleistungen an, angefangen von Gesprächen im Einzelsetting oder im Rahmen einer Patientengruppe über psychologische Unterstützung für Kinder von KrebspatientInnen bis hin zu mobiler psychoonkologischer Betreuung, wenn PatientInnen nicht (mehr) in der Lage sind, die eigenen vier Wände zu verlassen. Weitere Bestandteile unseres Angebots sind medizinische und komplementärmedizinische Information sowie Ernährungsberatung. In letzter Zeit registrieren wir verstärkten Zulauf zu unserer Arbeitsassistenz Krebs und Beruf, im Rahmen derer wir KrebspatientInnen einerseits bei der Sicherung ihres bestehenden Arbeitsplatzes unterstützen bzw. im Bedarfsfall helfen einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Speziell für erwerbstätige KrebspatientInnen und Unternehmen bieten wir im Rahmen unserer Initiative „UNTERNEHMEN LEBEN!“ psychoonkologisches Coaching in Firmen an, wenn MitarbeiterInnen an Krebs erkranken. Dieses Angebot bieten wir sowohl präventiv im Sinne von Führungskräftecoaching als auch im konkreten Anlassfall maßgeschneidert an.

Im Zuge von Coachings werden gewisse Themen behandelt. Auf welche Legen Sie besonderes Augenmerk?

Häufig auftretende Themen sind Unsicherheiten in der Kommunikation und im Umgang mit dem Thema Krebs, Unsicherheiten hinsichtlich der Belastbarkeit der erkrankten MitarbeiterInnen, Krankenstände und ihre Auswirkungen auf die KollegInnen, Umgang mit psychischen Belastungen, stressbedingte Probleme und Konflikte.
Die positiven Auswirkungen des Coachings reichen von der Stärkung sozialer Kompetenzen im Arbeitsteam und Stärkung von Solidarität und Zusammenhalt über die Erhöhung der individuellen Arbeitszufriedenheit und Teammotivation bis hin zur Entwicklung einer konstruktiven Konfliktkultur und mehr Offenheit im Umgang mit Belastungen jeglicher Art.

Das Thema Wiedereinstieg/Wiedereingliederung ist für beide Seiten enorm wichtig. Welche Punkte sollten dabei beachtet werden?

Zur Erleichterung der Wiedereingliederung von ArbeitnehmerInnen nach langer Krankheit in den Arbeitsprozess besteht seit Juli 2017 die Möglichkeit der Herabsetzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf maximal die Hälfte für die Dauer von 1-6 Monaten. Viele KrebspatientInnen möchten nach Beendigung der Therapien so schnell wie möglich wieder in den Beruf einsteigen, fühlen sich aber noch nicht ausreichend fit um ihrer Tätigkeit wieder Vollzeit nachzugehen. Die Anstrengungen der langen Therapiezeit lassen die volle Leisungsfähigkeit vorübergehend oft noch nicht zu. Wichtig ist eine offene Kommunikation über den Wunsch nach Wiedereingliederungsteilzeit gegenüber dem Arbeitgeber. In Kooperation mit der AASS Krebs und Beruf und Fit2Work kann ein individuell angepasstes Konzept zur Wiedereingliederungsteilzeit erarbeitet werden. Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis vor Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit mindestens 3 Monate gedauert hat und ein mindestens 6-wöchiger Krankenstand vorliegt. Eine Bestätigung über die Arbeitsfähigkeit der ArbeitnehmerInnen ist ebenfalls Voraussetzung.

Mit der Wiedereingliederungsteilzeit hat die Politik einen wichtigen Schritt getan. Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?

Wir haben im Rahmen der Krebshilfe viele Jahre um Bewusstseinsbildung für das wichtige Thema Wiedereingliederung gekämpft und sind sehr froh, dass das Gesetz zur Wiedereingliederungsteilzeit im Sommer 2017 in Kraft getreten ist. Verbesserungsbedarf gibt es aus unserer Sicht vor allem dahingehend, dass es derzeit noch keinen Rechtsanspruch auf Wiedereingliederungsteilzeit gibt. ArbeitnehmerInnen sind auf das Entgegenkommen ihrer ArbeitgeberInnen angewiesen und können Wiedereingliederungsteilzeit nur mit Einwilligung des Dienstgebers in Anspruch nehmen. Aus unserer Sicht würde ein Rechtsanspruch MitarbeiterInnen mit einer Krebserkrankung ein Gefühl von Sicherheit vermitteln und wäre in vielen Fällen hilfreich.

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